Materialien und Kopiervorlagen für den Geschichtsunterricht,
Ethikunterricht und Religionsunterricht
Dr. Edmund Käbisch SED Kirche Stasi DDR Zwickau

Geleitwort


Erfolg hat nur, wer gut folgen kann, heißt es in einem Kabarett-Song aus den sechziger Jahren. Soll unsere Jugend den Erfolgreichen folgen? Sollen die Folgsamen unsere Gefolgsleute sein? Nein. Wer das vorliegende Unterrichtsmaterial von Edmund Käbisch zur Hand nimmt, wird bald merken, dass hier nicht die Erfolgreichen und Folgsamen porträtiert werden, um jüngere ostdeutsche Geschichte zu verstehen. Im Gegenteil: Käbisch wählt die Politisch Verfolgten - also die Erfolglosen und Unfolgsamen - um Schülerinnen und Schülern unsere jüngere Geschichte begreiflich zu machen.

Ein Beispiel: Joachim Gäbler, Gerhard Schneider, Achim Beyer und 16 weitere Jugendliche hatten 1950 in Werdau gegen die Einführung der "Volkswahlen", die als Einheitsliste ohne Auswahlmöglichkeit durchgeführt werden sollte, mit Flugblättern protestiert. Ohne Erfolg. Urteil: insgesamt 130 Jahre Zuchthaus für die 19 jugendlichen Protestierer.

Ab 1950 wurden in der DDR alle Wahlen per Einheitsliste veranstaltet. Der Erfolg des kühnen Jugendprotestes stellte sich erst 40 Jahre später ein, als die Werdauer und mit ihnen alle wahlberechtigten Ostdeutschen am 18. März 1990 zum ersten Mal wieder demokratisch wählen durften.

Anderes Beispiel: der Theologiestudent Nikolaus Krause protestierte 1968 gegen den Abriss der Universitätskirche in Leipzig. Ohne Erfolg. Urteil: 22 Monate Haft wegen "staatsfeindlicher Hetze". Ihm persönlich verhalf nach seiner Haftentlassung die Sächsische Landeskirche zu beruflichem Erfolg als Pfarrer und stellvertretender Landesjugendpfarrer. Die Universitätskirche Leipzig wurde als "Paulinum" jedoch erst lange nach der friedlichen Revolution neu errichtet. Nikolaus Krause erhielt 2004 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für sein mutiges Wirken.

Vierzig lange Jahre hatten mutige Widerständler als Unpersonen zu gelten, durften ihre "Verbrechen" nicht genannt werden. Aber es sind gerade diese und viele andere Politisch Verfolgte, deren Schicksal in Schulen bekannt gemacht werden muss. Nicht der Staatsanwalt Walter Piehl und die "Volksrichter" Fritz Hübsch und Edith Müller, die das Urteil gegen die Werdauer Oberschüler 1951 fällten und die 1992 wegen Rechtsbeugung angeklagt wurden, stehen im Mittelpunkt des Interesses. Es sind immer die Politisch Unfolgsamen, die Verfolgten, denen unsere Aufmerksamkeit gebührt. Sie, und nicht die damals erfolgreichen Verfolger, haben unser Mitgefühl verdient, das - wie Edmund Käbisch begründet - auch heute eine Voraussetzung ethischen Handelns ist.

Damit sei nichts gegen Erfolg und gegen die Erfolgreichen gesagt. Erfolgsorientierung ist per se nichts Schlechtes und beruht gewiss auch nicht immer auf Folgsamkeit, wie das oben zitierte Lied behauptet. Im Gegenteil: welche Eltern wünschen nicht ihren Kindern beruflichen und persönlichen Erfolg? Aber unsere Kinder sollen auch lernen, dass Erfolg nicht das höchste Gut im Leben ist und dass es Werte gibt, die höher stehen. Erfolg darf aber nicht auf Kosten der Rechte Anderer errungen werden. Menschenrechte sind im Kleinen wie im Großen stets höher zu veranschlagen als Erfolge.

Möge diese Broschüre mit ihrer aufschlussreichen (wenn natürlich nicht vollständigen) Materialsammlung über mutige Frauen und Männer dazu beitragen, dass auch in unserer Zeit gewaltfreie politische Einmischung und Zivilcourage gelebt werden. Dann hätte auch diese Schrift den gewünschten Erfolg.

Martin Böttger
Ehemaliger BStU-Außenstellenleiter Chemnitz und
zweiter Vorsitzender des Martin-Luther-King-Zentrums für Gewaltfreiheit und
Zivilcourage Werdau e.V. - Archiv der Bürgerbewegung Südwestsachsens