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Dr. Edmund Käbisch Zwickau DDR Kirche Stasi SED politisch Verfolgte

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Exposé

Edmund Käbisch, Zwickau

Politisch Verfolgte in der DDR. Materialien und Kopiervorlagen für den Geschichts-, Ethik- und Religionsunterricht

Einleitung

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in zahlreichen Denkschriften und Texten die Aufgaben und Herausforderungen einer demokratischen Bildung beschrieben. So heißt es in dem 2010 erschienenen Text "Kirche und Bildung", dass das kirchliche Bildungshandeln "dem demokratischen Prinzip der Religionsfreiheit" entspricht.1 Dabei wird davon ausgegangen, dass "durch Bildungsangebote viele Menschen erreicht" werden, die "sonst kaum oder auch gar keinen Kontakt zu Kirche haben. Solche Angebote können wesentlich dazu beitragen, ein positives Verhältnis zu Kirche zu gewinnen."2 Hervorgehoben sei schließlich noch das Anliegen, dass Schüler lernen zu verstehen, "wie Christen Verantwortung für sich und andere wahrnehmen (Diakonie) und sich im Widerstand gegen Unrecht politisch engagieren."3

Die Aufgabe einer demokratischen Bildung im Geschichts-, Ethik- und Religionsunterricht, wie sie die eingangs genannten EKD-Texte beschreiben, gewinnt dadurch an Brisanz, wenn man sich das heutige DDR-Bild west- und ostdeutscher Jugendlicher vor Augen führt. Nach den Untersuchungsergebnissen von Monika Deutz-Schröder und Klaus Schröder haben Schüler vor allem drei Defizite:
  • seien vielen Schülerinnen und Schülern die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur nicht bekannt;
  • sei das Wissen zur Geschichte und Politik der DDR mehrheitlich unbefriedigend und lückenhaft;
  • loben besonders die ostdeutschen Schüler "mit breiter Mehrheit die sozialen Seiten des SED-Staates und gleichzeitig neigt eine beträchtliche Minderheit unter ihnen zur Ausblendung diktatorischer und repressiver Aspekte." 4


Ziele

Vor dem Hintergrund der genannten bildungspolitischen Texte der EKD und dem defizitären Wissen der Schüler über die DDR verfolget die hier erstmals veröffentlichten Materialien und Kopiervorlagen für den Geschichts-, Ethik- und Religionsunterricht sowohl ein historisches als auch ein didaktisches Ziel.

Historisches Ziel: Es werden nach umfangreichen Recherchen Menschen, die von 1945 bis 1989 aus politischen Gründen verfolgt, verhaftet, verhört und zu langjährigen Zuchthaus- bzw. Gefängnisstrafen oder sogar zur Todesstrafe verurteilt wurden, dokumentiert. Dabei werden zahlreiche Originalquellen, darunter Bilder, Briefe, Zeitungsausschnitte, persönliche Aufzeichnungen, Unterlagen der BStU und anderer Archive, erstmals zugänglich gemacht und didaktisch erschlossen. Neben den Biografien der Verfolgten liegt der Schwerpunkt damit auf authentischen Dokumenten, mit denen Schülerinnen und Schüler das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen nachvollziehen können, die unter den Bedingungen der DDR-Diktatur ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen haben und dafür mit mehrjährigen Haftstrafen belegt wurden.

Didaktisches Ziel: Diese Materialien werden für einen kompetenzorientierten Unterricht so aufgearbeitet, dass Schülerinnen und Schüler konkrete Arbeitsaufgaben und Arbeitsmaterialien erhalten. Damit werden die Schüler in die Lage versetzt, sich in die DDR-Verhältnisse und SED-Machtstrukturen hineinzuversetzen, um so befähigt zu werden, Mitgefühl für politisch Verfolgte zu entwickeln. Mitgefühl ist, wie die neuere didaktische Forschung herausgestellt hat, eine Vorraussetzung für die eigene ethische Urteilsfähigkeit. Emphatie und Mitgefühl können dazu führen, persönliche Verantwortung für sich und die Gesellschaft zu übernehmen. Insbesondere sollen die Schülerinnen und Schüler mit diesem didaktischen Ansatz dazu befähigt werden, die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur zu erkennen, ihr Wissen zur Geschichte und Politik der DDR zu erweitern, die diktatorischen und repressiven Aspekte der DDR zu beschreiben, zu eigenen Standpunkten zu gelangen, sich dann selbst verantwortlich in die Gesellschaft einzubringen und die Demokratie mitzugestalten.

Aufbau

Jeder politisch Verfolgte wird zunächst im Kontext seiner Zeit vorgestellt:

  • 1945 bis 1953: vom Ende des Zweiten Weltkrieges über die SBZ, die Gründung der DDR, die Zweite Parteikonferenz der SED bis hin zu der Geheimverhandlung in Moskau zwischen der KPdSU und der SED;
  • 1953 bis 1975: vom "Neuen Kurs" der SED über den Ungarnaufstand, den sog. Mauerbau, die innerdeutschen Vereinbarungen ohne vertragliche Reglungen, den "Prager Frühling" bis hin zu den KSZE-Verhandlungen in Helsinki;
  • 1975 bis 1989: von den Helsinki-Vereinbarungen über die Demokratisierung in Polen mit der Solidarnosc-Bewegung, Michal Gorbatschow in der Sowjetunion bis hin zur Friedlichen Revolution.


Die politisch Verfolgten waren Schüler, Jugendliche, Studenten, Arbeiter, Akademiker, Künstler, Mütter, Familienväter, Christen, Fragende oder Andersdenkende. Sie haben unter den Bedingungen der DDR (davor SBZ) leben müssen und gerieten wegen ihres Denkens, Fühlens und Handelns in Konflikt mit der sozialistischen Staatsideologie. Sie wurden zu "Feinden" erklärt, bekämpft und mussten "liquidiert" (so die wiederkehrende Bezeichnung in Stasi-Dokumenten) werden. Dieses menschenverachtende Verhalten der SED-Machthaber durchzieht sich wie ein roter Faden durch die ganze DDR-Geschichte.

Soweit es möglich ist, endet die Darstellung der politisch Verfolgten nicht mit der Friedlichen Revolution, sondern mit der juristischen, seelsorgerlichen und historischen Aufarbeitung des erlittenen Unrechts in der Bundesrepublik. Daran wird die Kontinuität und die Nachhaltigkeit ihres verantwortlichen Denkens und Handeln erkennbar. Zugleich können Schülerinnen und Schüler erkennen, dass sich die Geschichte bis in die Gegenwart auswirkt und sie selbst Mitgestalter der Zukunft sind.

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1 Kirche und Bildung - Herausforderungen, Grundsätze und Perspektiven evangelischer Bildungsverantwortung und kirchlichen Bildungshandelns.
   Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, 2010, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, S. 39.
2 Ebenda S. 19.
3 Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I Ein Orientierungsrahmen, EKD-Texte 111, 2011, S. 21.
4 Monika Deutz-Schroeder, Klaus Schroeder, Soziales Paradies oder Stasi-Staat?
   Das DDR-Bild von Schülern - ein Ost-West-Vergleich, Stamsried 2008, S. 607.
5 Elisabeth Naurath, Mit Gefühl gegen Gewalt. Mitgefühl als Schlüssel ethischer Bildung in der Religionspädagogik, Neukirchener Verlag 2008.