Wanderausstellung
„Aufbruch zur Mündigkeit - Menschen der Zwickauer Region jenseits von Anpassung und Resignation"
Die Ausstellung wurde am 23. März 2010 erstmalig in der Außenstelle des Clara-Wieck-Gymnasiums (CWG) Zwickau, Platz der Deutschen Einheit 2, eröffnet.



Die Wurzeln dieser Ausstellung liegen in einem Projekt der Religionsschüler des Clara-Wieck-Gymnasiums. Sie hatten damals das Thema "Christliches Handeln in der DDR" aufgearbeitet. Die jüngste regionale Geschichte wurde dokumentiert. Jetzt wurde die gesamte Ausstellung von einem kleinen Team neu überarbeitet und erweitert. Sie erhielt ein einheitliches Layout, das besonders Schüler ansprechen wird. Im Mittelpunkt stehen die Zwickauer Akteure der friedlichen Revolution.
Zehn Schwerpunkte möchte die Ausstellung aufzeigen:
- 1. Die Akteure waren Menschen einer Laienbewegung (vorwiegend). Sie sahen sich als „Kirche von unten“, die aber das Dach der Kirche brauchten. Sie waren der Überzeugung, zum persönlichen Glauben gehöre auch eine politische Verantwortung. Sie hatten die Vision, dass die biblischen Themen Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit eines Tages die Gesellschaft verändern würden.
- Die Akteure haben freiwillig mehr getan als verlangt wurde oder vom Staat und Kirche erlaubt war. Sie waren Individualisten und zugleich Avantgardisten. Sie begannen, sich zu vernetzen und fanden im „Konziliaren Prozess“ eine juristische Plattform. So waren sie vor staatlichen Übergriffen geschützt.
- Die Akteure des „Konziliaren Prozesses“ waren zuversichtlich, dass gesellschaftliche Veränderungen kommen müssen. Dafür haben sie ihre Freizeit, die Wochenenden und Ferien geopfert, ihre Wohnungen geöffnet, ihre Ehepartner und die ganze Familie einbezogen. Ihr Engagement war ein ganzheitliches Geschehen.
- Die Akteure haben mit ihrer Beharrlichkeit und Kontinuität Langzeitwirkungen ausgelöst. Zuerst waren die Basisgruppen (Anfang der 1980er Jahre) wie kleine Friedenszellen (Hefe) mit der Sehnsucht nach notwendigen Veränderungen. Dann begannen sie, andere Menschen für diese Themen zu sensibilisieren und Öffentlichkeit herzustellen. Zuletzt wurde daraus eine um sich greifende Bewegung, die in der friedlichen Revolution von 1989 ihren Höhepunkt fand.
- Drei Phasen werden in der Dokumentation erkennbar:
- eigenes Unbehagen und persönliche Erkenntnisse von untragbaren Missständen
führten zur Bildung von Basisgruppen, - die Basisgruppen vernetzten sich im Konziliaren Prozess,
- gemeinsam wurde Öffentlichkeit gesucht und der Weg von der Kirche auf die Straße beschritten.
- eigenes Unbehagen und persönliche Erkenntnisse von untragbaren Missständen
- Die DDR missachtete die Menschenrechte und gewährte keine Glaubensfreiheit.
- Die Erinnerung ist exemplarisch und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
- Diese Bürger und Christen mit ihrem Engagement sollen nicht vergessen, sondern gewürdigt werden. Sie waren Menschen mit Stärken und Schwächen.
- Es soll von ihrem Mut und ihrer Zivilcourage gelernt werden. Die Verletzungen der Menschenrechte müssen stets neu gesehen, erkannt, benannt und gemeinsam dagegen vorgegangen werden.
- Was ist aus den Akteuren geworden?
Diese Ausstellung kann als konkretes Arbeitsmittel für die Lehrpläne in den Fächern Geschichte, Ethik und Religion eingesetzt werden.

Die Festrede zur Ausstellungseröffnung hielt Susanne Trauer
Es wird eine Zeit kommen, wo ihr euch keine Grenzen mehr setzen könnt, da ihr mit den gesetzten genug zu tun habt – was auch heißt, dass die gesetzten keinen Spielraum für eigene lassen…“ (Uwe W.)
Diesen Spruch hat mir ein Freund geschenkt, als ich mich 1981 beim Trampen in Bulgarien in einen Jungen aus Köln verliebte und die Liebe dann unter anderem an der Unmöglichkeit zerbrach, über die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten zusammen zu leben.
Wer 1985 mit offenen Augen in der DDR lebte, dem musste klar sein: Die DDR war kein freies Land. Wir waren nicht viel älter als die Schüler dieser Schule.
Warum bin ich in dieser Welt? Was will ich mit meinem Leben anfangen? In was für einer Gesellschaft will ich leben? Was ist Lüge, was ist Wahrheit – Was ist Recht, was Unrecht?
Das waren Fragen, die uns damals beschäftigten.
Unsere Eltern konnten uns oft keine Partner sein. Sie hatten sich zu sehr eingerichtet i n der Genügsamkeit der Diktatur. Es gab andere Erwachsene, die für uns da waren, die sich nicht vor unbequemen Fragen drückten, die uns zuhörten und uns ernst nahmen. Gemeinsam in der Gruppe durchbrachen wir die sonst übliche Sprachlosigkeit, teilten unsere Unzufriedenheit an den Missständen der Gesellschaft, stritten über Gedanken und Ideen, was wir selber daran ändern könnten.
Es war wie die Vorwegnahme von wirklicher Freiheit in einem von uns selbst geschaffenen Raum. Wir konnten darin über uns selbst hinaus wachsen…Heute denke ich: Was wäre aus mir geworden, wenn es das nicht gegeben hätte?
Wir leben jetzt in einer anscheinend grenzenlosen Gesellschaft. Aber es gibt andere Grenzen: Vorurteile, Intoleranz, Ausgrenzung. Und es gibt Missbrauch von Vertrauen, heute wie damals. Die eigene Wahrheit herauszufinden und sie zu leben, ist ungleich schwieriger geworden. Ich wünsche Euch Erwachsene, die keine Masken tragen, die sich zu erkennen geben und zeigen, was ihnen wirklich wichtig ist, an denen Ihr euch messen könnt Ihr müsst es besser machen als wir alle.
Gedanken von Dr. Edmund Käbisch zur Ausstellungseröffnung „Aufbruch zur Mündigkeit“
am Clara-Wieck-Gymnasium (CWG) Zwickau am 23. März 2010
Stacheldraht
Für uns Ausstellungsmacher ist es heute bedrückend, dass die Ausstellungseröffnung „Aufbruch zur Mündigkeit“ nicht im Dom zu Zwickau stattfinden kann. Denn der Dom ist eigentlich mit der Ort, an dem die Zwickauer Bewegungen des sog. konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ihren Ausgang nahm. Ohne das schützende Dach der Kirche wäre der damalige „Aufbruch zur Mündigkeit“ sicher anders verlaufen.
Bereits im Jahr 2007 wurde daher angeregt (CWG, Bibelarbeitskreis, ZHZ und Dr. Käbisch), im Dom eine „Stätte der Erinnerung“ für die damaligen Ereignisse und Akteure einzurichten, z. B. in Form einer Ausstellung, wie sie heute hier erfreulicherweise eröffnet werden kann. Die unruhigen Geister der friedlichen Revolution, die sich vielfach als „Kirche von unten“ verstanden und den Impuls der Gesellschafts- und Weltveränderungen auslösten, finden daher im Dom bis heute keinen Platz. So liegen sie gleichsam „vor der Tür der Kirche“ im 20. Jahr der deutschen Einheit!
Diese mangelhafte Erinnerungskultur ist symptomatisch für die Landeskirche Sachsens. So haben sich beispielsweise die Ausstellungsmacher darum bemüht, Akten und Dokumente aus kirchlichen Archiven in die Ausstellung einzubeziehen. In wichtige kirchliche Unterlagen zu dieser Zeit darf jedoch im Unterschied zu staatlichen Archiven bis heute nicht eingesehen werden. Und das im 20. Jahr der deutschen Einheit!
Licht
Umso größer ist heute die Freude, dass die Ausstellungseröffnung in dieser Schule möglich ist. Vor über 20 Jahren war das undenkbar. Christliche Themen durften in Schulen nicht zur Sprache kommen. Es wurde nur die atheistische Staatsdoktrin vom Sieg des Sozialismus und Kommunismus gelehrt und propagiert. Ich kann als Zeitzeuge davon erzählen. Zwei meiner Söhne wurden hier - in der damaligen Gerhart-Hauptmann-Schule - als Schüler unterrichtet. Nur weil ich Pfarrer war, wurden meine Söhne von der Stasi bearbeitet.
Wir können nur dankbar sein, dass im Rechtsstaat der Religionsunterricht ein reguläres Unterrichtsfach ist. Religionsfreiheit ist Bestandteil unserer freiheitlichen Demokratie. Die Glaubens- und Meinungsfreiheit werden geschützt. So können heute Religionsschüler lernen, selbständig Quellen der Geschichte zu beurteilen, Akteure der friedlichen Revolution zu befragen und die damaligen Ereignisse aufzuarbeiten, damit sie sich ein eigenes Urteil bilden können und kritikfähig werden. Auch heute im 20. Jahr der deutschen Einheit sind wir alle dazu aufgerufen, kritisch zu sein, wenn Menschenrechte verletzt werden.
Bibel
Es ist eine Freude, in dieser Schule lesen Schüler in der Bibel. Ich selbst habe kurz nach 1989 als Religionslehrer miterlebt, wie Bibeln offiziell in dieses Gebäude kamen. Der Gideonbund, der weltweit kostenlos Bibeln verteilt, hat sie in die Schule gebracht - als Klassensatz. Und in ihr lesen nicht nur die Religionsschüler, sondern die Bibel wird auch im Ethik-, Deutsch-, Geschichts-, Gemeinschaftskunde- und Musikunterricht benutzt: Denn ohne die Bibel kann unsere Geschichte und Kultur nicht verstanden werden.
Der Kenner weiß aber auch, dass beim Bibellesen der Leser von den Worten - dem Wort Gottes - angesprochen wird. Diese Worte können das eigene Denken und Handeln verändern. Ein neues Leben beginnt. Es wirkt sich auf die Gesellschaft aus - auch im 20. Jahr der deutschen Einheit!
Die Ausstellung soll daher nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart zeigen, wie die biblischen Themen der Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung das Denken und Handeln verändern können und eine Langzeitwirkung entfalten, wie es auch bei der friedlichen Revolution der Fall war.
Radio Zwickau vom 23. März 2010: hier
TV Zwickau vom 24. März 2010: hier
Ausleihe:
Die Ausstellung "Aufbruch zur Mündigkeit" kann ausgeliehen werden.
Bitte wenden Sie sich an das Koordinierungsbüro "Bündnis für Demokratie und Toleranz der Zwickauer Region" in Rechtsträgerschaft des Vereines "Alter Gasometer"
Kontakt:
Telefon: 0375 | 277 21 17
Fax: 0375 | 277 21 12
E-Mail: kontakt@demokratiebuendnis.de