Das Fanal von Falkenstein.
Buchvorstellung am 8. Mai 2007, 19 Uhr, im Landgericht Zwickau
Musikalische Umrahmung
Prof. Matthias Eisenberg (Orgel) und Detlev Hoffmann (Violine) u. a. mit der Komposition "
in memoriam Rolf Günther" von Renate Käbisch



Während der Buchpräsentation wurde folgende schriftliche Erklärung den Zuhörern gegeben:
I. Danksagung
Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, denen zu danken, die meine Studie gefördert und den heutigen Abend ermöglicht haben. An erster Stelle ist hier die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die durch Angelika Barbe vertreten wird, zu nennen. Zu den Bildungsschwerpunkten der Landeszentrale gehört die Vermittlung von Kenntnissen über politische Strukturen und deren Missbrauch. Die Verzweiflungstat Rolf Günthers am 17. September 1978 ist ein solches Ereignis, das wie in einem Brennglas die Menschenverachtung des DDR-Systems aufzeigt.
Als zweites möchte ich dem Landgericht Zwickau und insbesondere dem Landgerichtspräsidenten Jürgen Kränzlein danken, der nicht nur die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Seit der Wende bemüht er sich in vielen Veranstaltungen, die Geschichte der Region aufzuarbeiten. Dabei ist er der festen Überzeugung, dass eine Aufarbeitung zu kurz greift, wenn sie allein juristisch erfolgt.
Als drittes möchte ich den vielen Menschen danken, die mir als Gesprächspartner zur Verfügung standen, um die in den Stasiakten dokumentierte Sicht mit Zeitzeugenberichten zu ergänzen und kritisch lesen zu können. Auf diese Weise ergibt sich ein Gesamtbild der Ereignisse, das ich mit dem vorliegenden Buch zur Diskussion stelle. Der Dank gilt auch all denen, die mich beraten und unterstützt haben. Ohne die Mithilfe vieler wäre das Buch nicht möglich gewesen.
Als viertes möchte ich Kantor Prof. Matthias Eisenberg und dem Violinenspieler Detlev Hoffmann, die u. a. Kompositionen meiner Frau Renate Käbisch zum Erklingen bringen werden, danken. Mit der musikalischen Umrahmung wird symbolhaft deutlich, dass das Fanal auf unterschiedlichster Weise aufgearbeitet werden kann.
Als letztes möchte ich dem Verleger Christoph Lenhartz von der Edition La Colombe danken. Er hat den Text kritisch lektoriert und die Drucklegung betreut, so dass die Ergebnisse meiner Untersuchung in einer angemessenen Form der Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Wie viele andere betrachten wir das Buch nicht als Schlussstrich, sondern als Anregung für weitere Untersuchungen und als Diskussionsgrundlage.
II. Missverständnisse
Im Vorfeld der heutigen Buchvorstellung ist es zu Missverständnissen gekommen, was das Thema und das Ziel meiner Studie angeht. Auf vier dieser Missverständnisse möchte ich näher eingehen:
- Ein erstes Missverständnis besteht darin, dass ich die Selbstverbrennung Rolf Günthers zu einer politisch motivierten Tat erkläre. Das Gegenteil ist der Fall. Die vorliegende Studie erbringt den Nachweis, dass ein innerkirchlicher Konflikt in der evangelischen Kirchgemeinde Falkenstein das Motiv für Günthers Selbstverbrennung war. Rolf Günther unterscheidet sich damit grundlegend vom Fall Oskar Brüsewitz, der sich zwei Jahre zuvor aus Protest gegen das sozialistische Schulsystem öffentlich verbrannt hatte.
- Ein zweites Missverständnis besteht darin, dass ich die für einen Seelsorger gebotene Zurückhaltung missachte. Denn die seelischen Nöte, die Rolf Günther dazu bewogen haben, in einer spektakulären Aktion Selbstmord zu begehen, unterliegen auch nach seinem Tod der Schweigepflicht. In der Tat handelt es sich hier um ein schwieriges Problem, bei dem sorgfältig abzuwägen ist: Auf der einen Seite steht das politische Aufklärungsinteresse, auf der anderen Seite die Persönlichkeitsrechte Günthers. Ich habe das Problem so zu lösen versucht, dass ich konsequent die Perspektive der Stasi auf den Fall Günther rekonstruiere. Die Stasi war nicht an seinen seelischen Nöten interessiert, sondern an den innerkirchlichen Konflikten, um sie in Zukunft für ihre Zwecke nutzen zu können. Die Stasi verschaffte sich über konspirative Methoden ein Bild von der evangelischen Kirche und ihre internen Richtungskämpfe, die theologischer oder politischer Art sein konnten. Dazu wurden u. a. auch Pfarrer, die von der Stasi als IM geführt wurden, eingesetzt. Mit den Erkenntnissen dieser Pfarrer konnte die Stasi dann Aktionen gegen die Kirche einleiten und steuern. Dieses konspirative Räderwerk mit der Missachtung des Menschenrechtes auf Religionsfreiheit steht im Mittelpunkt meiner Untersuchung und unterliegt meines Erachtens nicht der seelsorgerlichen Schweigepflicht.
- Ein drittes Missverständnis gegen die Aufarbeitung wird damit begründet, ich habe Günther nie persönlich gekannt und weiß nicht, welch schwieriger Mensch er war. Dadurch werden unverantwortlich Tabuthemen öffentlich gemacht und noch nicht verheilte Wunden brechen auf. Jedoch in der Studie bemühe ich mich, keine Schuldzuweisungen vorzunehmen und Verletzungen ernst zu nehmen, indem ich die Selbstverbrennung als historische Tatsache schildere. Sie ist nicht rückgängig zu machen – irreversibel. Diese Einsicht ist ein schmerzlicher Prozess, der aber zur Heilung führt. Ich untersuche die Ursachen, Folgen und Auswirkungen des Fanals. Ich analysiere, weshalb diese Tat zum Politikum wurde. Das Ergebnis der Recherchen lege ich mit der Studie der Öffentlichkeit zur Diskussion vor, so wie es in der Demokratie üblich ist.
- Ein weiterer Einwand gegen meine Arbeit besteht darin, dass ich mit meinem Wissen, dass ich mir durch Aktenstudium und Gespräche angeeignet habe, unverantwortlich in der Öffentlichkeit umgehe. Hinter diesen Einwänden steht die berechtigte Sorge, dass es zu einer Art rückblickender Siegerjustiz kommt, die die damalige schwierige Situation verkennt und heute neues Unrecht schafft. Ich habe diese Sorge so zu berücksichtigen gesucht, dass ich mich an die Vorgaben des Stasiunterlagengesetztes gehalten habe. Hier ist in einer verantwortlichen Weise geregelt, welches Wissen schutzwürdig ist und welches nicht.
III. Thesen
- Im Mittelpunkt der Studie steht nicht die Person Rolf Günthers und sein unverantwortlicher Selbstmord, sondern die Zersetzung der Kirche durch die Stasi nach dessen Selbstverbrennung. An fünf Beispielen möchte ich zeigen, wie perfide die Stasi, die im Auftrag der SED handelte, vorging und religiöse Gefühle missachtete. Anhand der Akten, die ich in staatlichen Archiven einsehen und auswerten konnte, wird rekonstruiert, dass die Selbstverbrennung von den SED-Machthabern instrumentalisiert wurde. Die Stasi erkannte, dass es innerkirchliche Spannungen gab, die sie für ihr Ziel, die Kirche in eine Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen, nutzen konnte. Die dahinter stehende Logik lautete: Wenn es uns gelingt, dass die Gemeinden mit sich selbst und ihren innerkirchlichen Problemen beschäftigt sind, dann werden sie uns am wenigsten gefährlich. Der Focus der Studie liegt auf diesen Methoden der Stasi, die sie nach dem Fanal entwickelte, um die Kirche wirkungsvoller bekämpfen zu können. Diese und andere subtile Machtstrukturen aufzudecken ist das zentrale Anliegen.
- In Falkenstein wurden verleumderische Hetzschriften in Umlauf gebracht, zum einen Aushänge, zum anderen anonyme Schriftstücke, die an kirchenleitende Persönlichkeiten verschickt wurden. Die Kirche sollte verunsichert werden und selbst Strafanzeige zur Aufklärung dieser strafbaren Handlungen stellen. Als das geschah, hatte die Stasi freie Hand, legal und offiziell in kirchliche Angelegenheiten einzudringen.
- Die Stasi benutzte den IM „Henry Jäger“, der der Freund und Alleinerbe von Rolf Günther war, dazu, in die Bundesrepublik zu reisen, um dort konspirative Kontakte zu Politikern, Wirtschaftsleuten und Kirchenfunktionären herzustellen und Informationen für die Stasi zu sammeln.
- Nach dem Fanal begann die Stasi systematisch neue Strukturen und Methoden der Kirchenbearbeitungen aufzubauen. Die Referenten für Kirchenfragen auf dem Rat des Bezirkes wurden mit Stasi-Offizieren (OibE) besetzt. Dadurch konnten Pfarrer und Kirchenleitung getäuscht werden, weil keiner wusste, dass das Gegenüber von der Stasi gesteuert wurde und alle Informationen sofort der Stasi übermittelt wurden. Die OibE arbeiteten u. a. mit Vergünstigungen und Bestechungen, um Pfarrer abhängig und hörig werden zu lassen. Weiterhin hatten sie die Aufgabe, bestimmte „progressive“ Pfarrer wie IM zu führen. Damit war das Referat für Kirchenfragen eine Außenstelle der Stasi und die Akten, die im Staatsarchiv Chemnitz erhalten geblieben sind, sind Stasiakten.
- Diese intensive Kirchenbearbeitung, bei der die neuesten Erkenntnisse der Psychologie umgesetzt wurden, war auf Langzeitwirkung ausgerichtet. Innerhalb der Kirche sollte eine Art „fünfte Kolonne“ aufgebaut werden. Bestimmte Pfarrer sollten systematisch und feinfühlig dazu gebracht werden, ihren eigenen und freien Willen abzulegen, von sich aus im Sinne des Staates zu handeln, „feindlich negative“ Pfarrer zu disziplinieren, diese auch in die Schranken zu weisen und Basisgruppen innerhalb der Kirche keinen Raum zu geben. Die Kirche sollte von innen heraus zersetzt werden. Diese Denk- und Handlungsweise zählt nicht nur meiner Ansicht nach zu den Spätfolgen der einstigen Kirchenbearbeitung.
IV. „Zur Zukunft gehört die Erinnerung“ – Zukunftsperspektiven
Vergleicht man die heutige Erinnerung an Rolf Günther mit der an Oskar Brüsewitz, so fallen Unterschiede auf: Brüsewitz hat schon mit dem im Jahr 1977 gegründeten Brüsewitz-Zentrum einen Ort gefunden, in dem seine Geschichte im Kontext des DDR-Unrechtsstaates aufgearbeitet wurde. Seitdem sind zahllose Artikel erschienen, und der Katalog der Deutschen Bücherei Leipzig zählt allein 11 Monographien, die sich mit seinem Fanal beschäftigen. Heute gibt es vor der Kirche in Zeitz ein Denkmal, das an seine Tat erinnert, und zum 30. Jahrestag seiner Selbstverbrennung fand ein Gedenkgottesdienst unter Anwesenheit des Landesbischofs der Kirchenprovinz Sachsen statt.
Es gibt sicher viele Gründe, warum Rolf Günther bis heute nicht die Aufmerksamkeit wie Oskar Brüsewitz gefunden hat. Für diese Diskrepanz könnten drei Gründe maßgebend sein: Mit Brüsewitz wurden bereits die politischen Verhältnisse in der DDR aufgearbeitet, so dass man nicht ein zweites Beispiel braucht, um den Unrechtsstaat zu erkennen. Ein zweiter Grund könnte auch darin bestehen, dass Staat und Kirche 1978 übereinkamen, den Fall Günther als innerkirchlichen Unfall zu behandeln, der zudem unter die seelsorgerliche Schweigepflicht fällt. Es scheint, dass die damalige offizielle Sprachregelung bis heute wirkt. Ein dritter Grund könnte schließlich darin bestehen, dass Brüsewitz gegen den DDR-Staat protestierte, Günther hingegen gegen Missverständnisse in der sächsischen Landeskirche. Brüsewitz bestätigt damit ein Selbstbild von Kirche, die geschlossen gegen den SED-Staat in Opposition ging, während Günther eher die innere Zerrissenheit vieler Gemeinden und Landeskirchen dokumentiert.
Was in der Kirchenprovinz Sachsen möglich ist, sollte meines Erachtens auch für die sächsische Landeskirche handlungsleitend sein. Dazu vier konkrete Vorschläge:
- Am 17. September 2008 jährt sich die Selbstverbrennung Günthers zum 30. Mal. Aus diesem Anlass könnte ein Gedenkgottesdienst – eventuell unter Anwesenheit des Landesbischofs – in Falkenstein stattfinden. Das wäre ein sichtbares Zeichen dafür, dass Rolf Günther nicht mehr vor der Tür der Kirche liegt.
- In Falkenstein sollte wie in Zeitz ein angemessener Ort geschaffen werden, der an die Selbstverbrennung erinnert. Dabei geht es weniger um ein Denkmal, sondern um eine Art Ausstellung, die sich mit den schwierigen Verhältnissen in der DDR am Beispiel von Rolf Günther beschäftigt. Diese Aufarbeitung könnte von Schülern, Konfirmanden oder Jugendlichen der Region als konkretes Projekt erarbeitet werden.
- Neben der notwendigen Erinnerungsarbeit gehört zudem die weitere Aufarbeitung in der Landeskirche. Dabei ist es wichtig, dass möglichst viele Perspektiven miteinander ins Gespräch gebracht werden, d. h. ehemalige Gemeindeglieder, Pfarrer, Freunde, Vertraute, die Kirchenleitung, der damalige Bischof, Stasi-Bearbeiter, SED-Funktionäre, Historiker. Denkbar ist die Form eines Symposions, auf dem jeder seine Sichtweisen darlegen und auch seine Verletzungen aussprechen kann. Denkbar ist auch die Form eines Sammelbandes, in dem die unterschiedlichen Perspektiven dokumentiert werden. Herr Christoph Lenhartz hat sich dazu bereit erklärt, die Ergebnisse eines solchen Symposiums bzw. den Sammelband in sein Verlagsprogramm aufzunehmen.
- Weiterhin sollte die Landeskirche die Aufarbeitung ihrer Geschichte aktiv vorantreiben. Denkbar ist, dass sie an der Theologischen Fakultät Leipzig wissenschaftliche Examensarbeiten oder Promotionen zu diesem Thema anregt und unterstützt. Es geht dabei auch darum, dass angehende Pfarrer die Geschichte ihrer Landeskirche und die Konflikte in ihren Gemeinden kennen lernen, die teilweise noch heute schwelen.
Aus der Freien Presse vom 10. Mai 2007

Zusammenfassung:
- Pfarrer Rolf Günther, der eine lebensnahe und weltoffene Gemeindearbeit leistete, stand im Widerspruch zu der Frömmigkeit der Volksmission (Charismatiker), die besonders von den beiden Pfarrkollegen Siegfried Gneuß und Helmut Hampel gelebt wurde. Sie praktizierten die so genannten Geistesgaben Gottes wie Krankenheilung durch Handauflegen oder Gebet, Zungenreden, Prophetie, Befreiung von satanischen Mächten durch Exorzismus. Diese Frömmigkeit entsprach nicht Günthers Bibelverständnis: Er hielt sie für sektiererisch. Er setzte sich zur Wehr, sammelte aber keine Gleichgesinnten um sich. Er wollte keine Gemeindespaltung und wandte sich daher an seine Dienstvorgesetzten. Er erhoffte sich von dort Änderung und Hilfe. Das Landeskirchenamt und der Bischof schenkten diesem theologischen Konflikt nicht die nötige Aufmerksamkeit, so dass sich Günther allein gelassen fühlte. Er sah sich selbst als Verfechter des wahren evangelischen Glaubens in seiner Gemeinde, nachdem er vom Kirchenvorstand mehrheitlich als Pfarrer wegen Nichtgedeihlichkeit abgewählt wurde. Die Verzweiflungstat der öffentlichen Selbstverbrennung bereitete er bewusst vor. Damit wollte er ein Zeichen seines standhaften Glaubens setzen. Das Plakat "Wacht endlich auf!" weist auf den bestehenden Frömmigkeitskonflikt hin, der nach seinem Tod in Günthers Sinne gelöst werden sollte. Was damals geschah, kann heute mit dem Wort Mobbing ausgedrückt werden.
- Nach der Selbstverbrennung am 17. September 1978 waren sich die DDR-Staatsorgane und die evangelische Kirche einig, keine Parallelen zu dem Fall Oskar Brüsewitz zu ziehen und die Öffentlichkeit nur begrenzt zu informieren. Das vermeintliche gute Staat-Kirche-Verhältnis sollte erhalten bleiben. Von den wahren Hintergründen erfuhr die Öffentlichkeit nichts. Die unsachgemäße Information wird von Seiten der Kirche bis heute beibehalten, so dass der innerkirchliche Konflikt Günther zu seiner Verzweiflungstat trieb, vor allem aber dessen Instrumentalisierung durch die Staatssicherheit nicht bekannt wurde. Neben dem Ermittlungsverfahren benutzte die Stasi diesen Vorfall, Meinungen und Stimmungen der Bevölkerung zu sammeln und sich einen Überblick von der Frömmigkeit in der Kirche zu verschaffen. Sie beobachtete die Berichterstattung der Westmedien, die Beerdigung, die Gedenkveranstaltungen, die Reaktionen der Kirchenleitungen und der Synoden. Sie wollte laufend, rechtzeitig und umfassend informiert sein, was innerhalb der Kirche, die sie als potentiellen Feind betrachtete, geschah.
- Im Oktober fand eine anonyme Plakataktion statt, die dazu aufrief, die Mörder und Teufelsaustreiber aus Falkenstein zu verjagen. Daraufhin regte die Kirche ein Ermittlungsverfahren an. Das gab der Stasi die Möglichkeit, offizielle Ermittlungen innerhalb der Kirche anzustellen und in ihre Arbeitsaufgaben legal einzudringen. Weiterhin inszenierte die Stasi eine anonyme Briefaktion, um die kirchlichen Führungskräfte zu verunsichern und einen Frömmigkeitsstreit auszulösen. Der Einfluss der Kirche sollte geschmälert werden. Die Stasi entwarf Maßnahmepläne, um den Differenzierungsprozess innerhalb der Kirche weiter zu forcieren. Dabei haben sich auch Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter als IM (sogar ein Zeuge Jehova) einbinden lassen. Die Frömmigkeit der Gläubigen wurde benutzt, um innerhalb der Kirche einen Kampf zu entfachen. Die Einheit und Geschlossenheit sollte auseinander brechen. Sogar der Freund und Alleinerbe Günthers wurde als IM in das "Operationsgebiet BRD" lanciert. Die Vorgehensweise der Stasi ist von der Partei gebilligt und unterstützt worden. Sie wurde laufend über die Entwicklung und die aktuellen Ereignisse informiert.
- Die Falkensteiner Ereignisse nahm die Stasi sogar zum Anlass, in die Gruppen der Volksmission einzudringen. Sie wollte von dieser praktizierten Frömmigkeit auswertbare Informationen erhalten und das Fehlverhalten der Kirche vorhalten. Die Landeskirche sollte so zu staatskonformen Entscheidungen genötigt werden. Bei der Informationsgewinnung haben sich auch wissentlich Pfarrer einsetzen lassen. Es fanden entsprechende Staat-Kirche Gespräche statt, die von der Stasi vorbereitet und ausgewertet wurden. Es wurde eine Art Geheimdiplomatie betrieben, die nicht öffentlich wurde, obwohl die Landeskirchen synodal und somit demokratisch verfasst waren. Zwar ist es den Staatsorganen nicht gelungen, die Kirche direkt zu steuern, aber es wurde zunehmend das Ziel erreicht, die Partei als staatstragende Macht anzuerkennen und Konflikte nicht öffentlich werden zu lassen. So verringerte sich das Vertrauen vieler Christen zu ihrer Landeskirche, und es entstand eine Kluft zwischen oben und unten. Ein Erfolg der permanenten geheimdienstlichen Bearbeitung war, dass sich die Landeskirchen zunehmend als "Kirche im Sozialismus" verstanden. Sie wollte keine Veränderung, sondern den status quo erhalten.